Wie Arbeitsmarktpolitik und Klimaschutz miteinander verbunden sind und warum der Strukturwandel diesmal nicht so funktioniert wie bisher.
Johannes Kopf ist Vorsitzender des PES-Netzwerks und Geschäftsführer von AMS, dem österreichischen öffentlichen Arbeitsamt. Dieser Artikel spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider.
Die Frage, wie wir unser Klima retten wollen, wurde bereits politisch entschieden. Weder werden wir uns in eine Gesellschaft nach dem Wachstum verwandeln, um die globale Erwärmung zu stoppen, noch werden wir morgen in Christian Felbers Gemeinwohlwirtschaft leben. Das US-Regierungsprogramm New Green Deal und Von der Leyens European Green Deal verfolgen ebenso wie die von den Vereinten Nationen vereinbarten Ziele für nachhaltige Entwicklung das Ziel eines grünen Wirtschaftswachstums. Gleichzeitig sollten Umweltinnovationen es ermöglichen, den mehr als 100 Jahre alten Konflikt zwischen den Zielen des Wirtschaftswachstums und des Umweltschutzes vollständig zu lösen. Tatsächlich liefern eine ganze Reihe interessanter Modellberechnungen glaubwürdige Beweise dafür, dass durch ausreichende technologische Innovationen nicht nur mehr Rohstoffe und Energieeffizienz möglich sind, sondern dass auch sinkende Umweltverschmutzungsgrade bei gleichzeitig steigendem Wirtschaftswachstum erreichbar sind.
Dies sind die hoffnungsvollen Prognosen, die Politiker als Grundlage für ihre aktuellen Reformen verwenden. Da es jedoch auch wichtige Gegenstimmen gibt und die Zukunft von Natur aus ungewiss ist, ist es sinnvoll, sich nicht nur auf die Kraft der technologischen Innovation zu verlassen, sondern auch soziale Innovationen zu fördern. Eine oder zwei der Ideen der Befürworter der Gemeinwohlwirtschaft können hier am rentabelsten übernommen werden, sei es beispielsweise die gemeinsame Nutzung spezifischer Ressourcen oder die Förderung eines umweltfreundlicheren Verhaltens, beispielsweise in den Bereichen Konsum oder Mobilität.
Rein beschäftigungspolitisch fürchte ich als Leiter einer Arbeitsmarktverwaltungsorganisation weder den Klimawandel noch den Kampf dagegen:
Der Kampf gegen den Klimawandel
Mit dem „Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa“ hat die EU-Kommission ihre Absicht angekündigt, in den kommenden 10 Jahren mehr als eine Billion Euro an öffentlichen und privaten Investitionen in klimabezogene Projekte zu mobilisieren. Mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr schaffen eine ganze Reihe zusätzlicher Arbeitsplätze. In neuen Berufsfeldern ist nicht nur ein starkes Wachstum zu erwarten, sondern auch ein massiver Anstieg klassischer Berufe wie beispielsweise der Klempner- oder Solartechniker. Wie beispielsweise Christian Mikovits vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Universität für natürliche Ressourcen und Biowissenschaften in Wien kürzlich sagte, müssten Sie allein in Österreich 400 Solarstromanlagen pro Tag installieren, um das nationale Ziel zu erreichen den gesamten Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 nur auf Dächern zu beziehen.
Anpassung an den Klimawandel
Ein meiner Meinung nach mindestens ebenso großer Motor zur Schaffung von Arbeitsplätzen, der bereits jetzt funktioniert, ist die Anpassung an den Klimawandel. Denn es ist sowieso schon heißer. Deshalb müssen zum Beispiel Städte mit viel Grün bedeckt sein; Häuser isoliert; Regenwasser gesammelt; Altenheime, Krankenhäuser und Schulen, die mit Schatten versehen sind; abgewendete Naturgefahren; und klimakompatiblere Bäume gepflanzt.
Alles in allem wird es also zusätzliche und neue Arbeiten geben.
Trotz all dieses Vertrauens bleibt meine Sorge der Mut, den die Politiker brauchen.
Seit der Industrialisierung gab es mehrere Perioden des grundlegenden Strukturwandels, wie dies jetzt im Zusammenhang mit dem Klimaschutz erforderlich ist. Der russische Ökonom Nikolai Dmitriyevich Kondratiev beschrieb dies 1926 in seiner Theorie der langen Wellen. Die später von Schumpeter weiterentwickelte Theorie zeigt, dass grundlegende technische Innovationen alle 40 bis 60 Jahre zu umfassenden radikalen Veränderungen in Wirtschaft, Produktion und auf dem Arbeitsmarkt geführt haben. Die Ursachen der 5 Kondratiev-Wellen seit 1800, die später nach ihrem Entdecker benannt wurden, waren die (stationäre) Dampfmaschine, die Eisenbahn, Elektrizität und Chemie, das Automobil und die Informationstechnologie.
Die genannten Innovationen haben fast alles verändert und ein massives Wirtschaftswachstum mit vielen neuen Arbeitsplätzen ausgelöst. Gleichzeitig verlor jedoch eine enorme Anzahl von Menschen ihren bestehenden Arbeitsplatz. Dies begann mit den Webern, die als Heimarbeiter Materialien herstellten, die wegen des dampfbetriebenen Webstuhls plötzlich zu Tausenden arbeitslos waren. Später verloren Kutscher, Kinomusiker, die Telefonistin und Schreibkräfte ihre Arbeit, um nur einige der Betroffenen zu nennen.
Es war immer schwierig, teilweise unmöglich, Menschen, die aufgrund des technologischen Wandels arbeitslos geworden waren, umzuschulen, um völlig neue Berufe auszuüben, die gefragt waren. Bis heute ist dies eine sehr wichtige Kernaufgabe der modernen Arbeitsmarktpolitik, und deshalb haben wir zum Beispiel viel Erfahrung mit dem für Europa beispielhaften und in Europa vorgebrachten Modell der Arbeitsgrundlage in Österreich deutlich nachweisbare Erfolge.
Folglich wäre es selbstverständlich, den Kampf gegen den Klimawandel und die Investitionen, die durch die massive staatliche Unterstützung ausgelöst werden, als neue Kondratiev-Welle zu sehen und voller Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Was schon fünf Mal ganz gut gelaufen ist, wird wahrscheinlich auch ein sechstes Mal gut laufen.
Und doch ist diese Schlussfolgerung meiner Meinung nach zu einfach. Alle bisherigen grundlegenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt wurden durch Innovationen ausgelöst, die aufgrund ihrer Vorteile für den Einzelnen nicht zurückgehalten werden konnten. Die „langen Wellen“ dauerten jeweils 40 bis 60 Jahre.
Diesmal unterscheiden sich jedoch drei Dinge grundlegend.
Zuerst: Wir haben keine 40 bis 60 Jahre Zeit, um unser Klima zu retten.
Zweitens: Der Einzelne muss häufig nicht nur dem gesellschaftlichen Vorteil Vorrang vor dem persönlichen Vorteil geben, sondern muss oft sogar gezwungen sein, persönliche Einschränkungen zu akzeptieren.
Drittens: Der Treiber des Wandels kann diesmal nicht der individuelle Vorteil der technologischen Innovation sein, sondern muss die Politik in Form des Gesetzgebers sein. Es reicht nämlich nicht aus, nur Elektroautos zu subventionieren, sondern der Gesetzgeber muss auch den Einsatz von Autos mit Verbrennungsmotoren wesentlich teurer machen oder in absehbarer Zukunft sogar den Verkauf solcher Neufahrzeuge verbieten. Es wird vermutlich nicht ausreichen, Flüge in Europa mit Steuerzuschlägen erheblich teurer zu machen, sie werden vermutlich auch irgendwann Einschränkungen unterliegen, beispielsweise auf Kurzstrecken, da ölbetriebene Heizsysteme in Neubauten nicht mehr zulässig sind.
Maßnahmen dieser Art, die für die Zukunft notwendig sind, kosten jedoch in der Gegenwart echte Arbeitsplätze. Elektroautos erfordern weniger Wartung, Stewardessen verlieren ihre Arbeit, Heizöltanker-Fahrer werden überflüssig.
In all diesen Fällen ist es nicht die technologische Innovation, die diese Menschen arbeitslos macht, sondern die Entscheidung der Politiker, die natürlich auch die Verantwortung dafür übernehmen muss. Und es gibt kein anderes Thema, bei dem Politiker so erpressbar sind wie beim Schutz von Arbeitsplätzen. Gleichzeitig müssen die Politiker dafür sorgen, dass die Gesellschaft die notwendigen rechtlichen Beschränkungen unterstützt. Wie schnell sich die politische Opposition beispielsweise mit von Redundanz bedrohten Bergleuten solidarisch zeigt, zeigt sich derzeit in Brandenburg, wo die AfD (rechtsextreme Partei) auch unter Gewerkschaftsmitgliedern wegen Kohlefeldern massiv in Schwung gekommen ist sind mit Schließung bedroht.
Das heißt also: Klimaschutz ist gleichzeitig und im Wesentlichen arbeitsmarktpolitisch. Denn Antworten werden für alle benötigt, die die gesellschaftlichen Notwendigkeiten akzeptieren, aber wissen wollen, dass ihre persönliche Lebenssituation sicher ist. Politiker, die diesen Kontext nicht verstehen oder nicht beachten, werden niemals den Mut haben oder in der Lage sein, die Macht zu verteidigen, die notwendigen drastischen Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen.
Hinterlassen Sie uns einen Kommentar